Praevention

Montag, 13. Dezember 2004

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Kennt ihr Leute, die an Aids erkrankt sind? Jaaaaa!!!, schallt es aus dreihuntert Kinderkehlen. Zwei Gebäudetrakte, zugige Klassenzimmer, sperrmüllreifes Mobiliar – die Lulama-Schule in Soweto. Auf dem Pausenhof läuft ein Puppenspiel. „Abangani“ heißt das Stück, Freunde. Es geht um Aids. Thabo, der Held mit dem Vornamen des Präsidenten, klärt auf, bricht Tabus, sprengt Vorurteile. Die Kinder sind begeistert. Nach der Aufführung diskutieren sie mit den Puppen so offen über Sex und die Seuche, dass es ihren Lehrern peinlich ist. Nyanga Tshabalala, der Regisseur, hat bei der Sesamstraße in New York gelernt. Er will seine Marionetten in jede Schule des Landes schicken. „Es stimmt einfach nicht, dass wir Afrikaner uns dem Schicksal ergeben.“

Quelle: ACH, AFRIKA; Bartholomäus Grill

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In Südafrika läuft unter dem Namen LoveLife die aufwendigste Präventionskampagne der Welt. Die Regierung hat das Aids-Budget verdreifacht. In keinem anderen Land werden mehr Kondome verteilt. Im Radio, im Fernsehen, in den Zeitungen hören und lesen wir jeden Tag eindringliche Mahnungen. Über den Blechdächern der Townships sehen wir großflächige Aufklärungsplakate. Zehntausende von Bürgern tragen die rote Aids-Schleife, sie flattert sogar an den Fassaden öffentlicher Gebäude. Zahllose Menschen versuchen die Seuche mit bescheidenen Mitteln einzudämmen. Sie sammeln Spenden, betreuen Waisen, pflegen Kranke, bilden Netzwerke, stehen sich gegenseitig bei. Am Kap, im Süden Afrikas, auf dem ganzen Kontinent. Das hilflose Afrika wehrt sich.

Quelle: ACH, AFRIKA; Bartholomäus Grill

die wunderkinder von mama jackey

Fast 1 Million Aids-Waisenkinder leben derzeit in Südafrika, Kinder, die ohne Eltern und ohne Führung aufwachsen. Viele von ihnen können sich kein Schulgeld leisten, der Wen in die Kriminalität ist da fast zwangsläufig. Jobs gibt es für sie so gut wie keine, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei geschätzten 70 Prozent. Es ist eine "verlorene Generation", die da in Südafrika heranwächst.

An der Ithuteng Trust-Schule in Soweto nimmt man sich solcher Jugendlicher an: fast alle von ihnen sind straffällig geworden, etwa als Drogendealer oder Auto-Hijacker. Doch die Gründerin dieser Schule, Jackey Maarohanye, schafft es, ihre Schützlinge auf den richtigen Weg zu bringen.

Am Anfang jeden Schuljahrs steht ein Besuch im Gefängnis - dort wird den Schülern auf eindeutige Weise klargemacht, wo ihr (krimineller) Weg enden könnte. Rauhe Trainingslager stehen am Anfang des Schulpensums. Eine weitere Besonderheit: ältere Schüler geben jüngeren intensiven Nachhilfe-Unterricht. Jackey hat festgestellt, dass die meisten der Schüler sich nicht richtig mit normalen Lehrern unterhalten können, denn die beherrschen nicht die Sprache "der Straße".

Im vergangenen Dezember haben alle Schüler von Ithuteng - das bedeutet "lasst uns lernen" - den Schulabschluss gemacht. Präsident Thabo Mbeki hat daraufhin das erfolgreiche Schulprojekt als "südafrikanisches Wunder" bezeichnet. Ein Film über das rauhe Leben im Township, ehemalige Hijacker als Lehrer und erfolgreiche Schüler.

Morgens um vier in Soweto - eine Gruppe von Jugendlichen beginnt den ersten Schultag: zu Fuß müssen sie zehn Kilometer zum Gefängnis von Johannesburg marschieren. Im Morgengrauen erreichen sie das Gefängnis. Auf drastische Weise soll ihnen hier vorgeführt werden, dass sich Kriminalität nicht auszahlt. Denn fast alle dieser Schüler sind Problemkinder - viele wachsen im Township ohne Eltern auf und geraten schnell auf die schiefe Bahn. Wohin das führt, soll ihnen hautnah gezeigt werden. "Ich habe richtig Angst," meint der 18jährige Andries, "die legen uns doch echt Handschellen an."

Und dann geht es gefesselt in das Gefängnis - das Konzept der Ithuteng-Schule in Soweto heißt - Schocktherapie. Die Wärter behandeln die Schüler wie richtige Gefangene - wer nicht sofort spurt, wird angeschnauzt. Wer in Südafrikas gewalttätigen Townships aufwächst, den kann man nur so beeindrucken - das ist die Logik der Verantwortlichen.

Ein paar Schüler bekommen von den Aufsehern heimlich ein paar Drogen untergejubelt - sie werden aus der Gruppe ausgesondert. Auch bei Andries findet sich ein Päckchen - er wird sofort zur Sonderbehandlung abgeführt, dabei versteht der 18jährige gar nicht, was da mit ihm passiert.

Und das ist das zuhause von Andries - er lebt bei seiner Großmutter in Soweto, die Eltern sind tot. In Zeiten von Aids wächst in Südafrika eine "verlorene Generation" von Waisenkindern heran, denen kaum noch Werte vermittelt werden. Der 20jährige Archie, ein ehemaliger Gangster, besucht Andries oft daheim und hilft ihm bei den Hausaufgaben - das gehört zum Konzept der Ithuteng -Schule, die Gleichaltrigen sollen sich gegenseitig helfen, denn sie sprechen die gemeinsame Sprache des Townships.

Mitten in Soweto liegt sie, die Ithuteng - Schule - hier bekommen die Problemkinder an Nachmittagen und Wochenenden intensiven Nachhilfe-Unterricht. Französisch steht dabei ebenso auf dem Lehrplan wie EDV-Programme - und immer sind es ältere Schüler, die den jüngeren helfen. Wenn der ehemalige Hijacker Archie am Computer Ratschläge gibt, akzeptiert das Andries viel eher als von einem Erwachsenen.

Zurück ins Gefängnis. Wie ein Schwerverbrecher wird Andries abgeführt, vorbei an seiner Schulleiterin Jackie Maarohanye, kurz Mama Jackey genannt. Sie hatte die Idee zu diesem Gefängnistag. Andries wird den Rest des Tages in einer Einzelzelle verbringen - das er nun keinen Kontakt mehr zu seinen Schulkameraden haben wird, ist für den Jungen das schlimmste. Die ungewohnte Umgebung verunsichert ihn ungemein. "Das macht mir wirklich Angst," sagt er immer wieder, "ich muss erst einmal zur Ruhe kommen und darüber nachdenken. "

Draußen teilt einer der Wärter den anderen mit, dass sie sich alle die Haare schneiden lassen müssten - oder ihr Aufenthalt würde um ein paar Tage verlängert. Nur widerwillig lassen sich die meisten darauf ein. Ob diese Art der Wertevermittlung nicht manche Jugendliche eher traumatisiert, diese Frage stellt sich für die Schulleiterin nicht. "Diese Behandlung ist ja nicht tödlich," sagt Mama Jackey. "Die Schockwirkung ist der Schlüssel zu unserem Erfolg. Wir wollen den Jugendlichen zeigen - das passiert mit dir, wenn Du hier einmal landen solltest. Das ist schon die richtige Methode."

Draußen müssen die Schüler im Gefängnisgarten den ganzen Tag lang arbeiten, auch der ehemalige Hijacker Archie. "Das ist kein Vergnügen hier," meint er, "wenn man das gesehen hat, willst Du so schnell nicht wieder zurück. "

In Soweto gibt uns Archie einen kurzen Einblick in sein früheres Leben. An Straßenkreuzungen hat er mit einer Gang Autos gestohlen. "Das war ganz einfach," sagt er, "ich habe einfach die Knarre gezogen und dann die Tür aufgerissen." Am einfachsten seien Autos, in denen nur der Fahrer sitzt - die wären meistens machtlos. Archie hat das Hijacking aufgegeben, als ein Kumpel von ihm erschossen wurde. Nun ist Ithuteng seine neue Heimat - hier kann er auch übernachten, denn die Schule bietet ihren Zöglingen auch einige Schlafräume. "Gott hat mir eine zweite Chance gegeben, und einen Engel geschickt: das ist Mama Jackey, sie zeigt uns, wo es im Leben lang geht."

Mama Jackies Konzept aus Schock und Liebe scheint aufzugehen - alle der etwa dreitausend Schüler von Ithuteng haben ihren Abschluss erfolgreich bestanden - das ist in Südafrika eine exorbitante Erfolgsquote. Sie sagt: "Südafrika braucht solche Schulen für diese Generation der Township - Kinder. Sie sind voller Zorn, aber wir zeigen ihnen: auch wenn Du kein Zuhause, keine Eltern mehr hast, wir sind für Euch da."

Zurück ins Gefängnis, es ist früher Abend - die Zellen werden aufgeschlossen, und auch für Andries ist die Einzelhaft nun vorüber - der 18jährige ist mehr als erleichtert: "Was heute passiert ist, das wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Ich bin immer noch wütend, das sie mir die Haare geschnitten haben, aber ich muss es akzeptieren." Und dann öffnen sich die Gefängnistore - das Konzept von Mama Jackey ist unkonventionell und kontrovers, aber es ist ein Versuch, der Township Jugend die Richtung zu weisen.

Bericht: Stefan Schaaf/Anton Swart

>>www.ashoka.org/fellows/
Website über Jackqueline Maarohanye, "Mama Jackey"

Montag, 25. Oktober 2004

TAP Township Aids Project

Soweto
Sexualaufklärung und Aids-Prävention für Jugendliche

Schätzungsweise jeder vierte Jugendliche in Soweto ist mit dem HI-Virus infiziert. Das Township Aids Project (TAP) will den Jugendlichen in Soweto, aber auch ihren Eltern und Lehrern, helfen. Um die Jugendlichen besser zu erreichen, werden mit Hilfe der DSW (Deutsche Stiftung Weltbevölkerung) junge Leute zu Jugendberatern ausgebildet, die sich in Jugendklubs organisieren. In diesen Klubs können sich Jugendliche treffen und über Sexualität, die Verhütung von Schwangerschaften und HIV/Aids informieren. Auf Dauer wird ein Netzwerk entstehen, durch das die Aufklärungsrate unter Jugendlichen deutlich erhöht werden soll.
Im Dezember 2002 wurde das neu errichtete HIV/Aids-Beratungszentrum eröffnet. Dort können sich Jugendliche vertraulich beraten und auf HIV/Aids testen lassen. Der Einsatz einer Mobilklinik macht es möglich, Jugendliche besser zu erreichen. Seit Projektbeginn hat die DSW in Soweto über eine halbe Million Jugendliche über Aids und ungewollte Schwangerschaften aufgeklärt. Eine Umfrage zeigt, dass über die Hälfte der befragten Jugendlichen, die an dem Aufklärungsprojekt teilgenommen haben, jetzt regelmäßig Kondome verwendet. Über 1,3 Millionen Kondome wurden seit Projektbeginn verteilt. Insgesamt leisten 22 Jugendklubs Aufklärugnsarbeit, neun davon an Schulen. Über 3.000 junge Frauen und Männer wurden inzwischen zu HIV/Aids-Beratern ausgebildet.

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