Montag, 13. Dezember 2004

Prozess um Patent

Pretoria High Court, Gerichtssaal 2D, März 2001.... Das Urteil hat globale Bedeutung. Da stehen sich der reiche Norden und der arme Süden exemplarisch gegenüber, drei Dutzend Pharmakonzerne aus den Industriestaaten, darunter Boehringer Ingelheim, Merck, Rhone-Poulenc, Hoffman-La Roche und, stellvertretend für die Entwicklungsländer, die Regierung Südafrikas. David gegen Goliath also. Der Riese verteidigt den internationalen Patentschutz, um an seinen Produkten weiterhin exklusiv zu verdienen. Der Zwerg beruft sich auf seine Verfassung, in der das Grundrecht auf Leben verankert ist, und fordert den verbilligten Zugang zu Medikamenten. Denn gerade dort, wo Anti-Aids-Cocktails am dringlichsten gebraucht werden, sind sie unerschwinglich: 95 Prozent der HIV-Infizierten leben in den Armutszonen der Welt. In diesem Fall heißt das Gesetz des freien Marktes: Wer nicht zahlen kann, stirbt. Die Regierungen im Süden haben eine Verpflichtung gegenüber ihren Bürgern. Südafrika will sich durch ... Generika, Nachahmepräparate, behelfen, die im eigenen Land kostengünstig erzeugt werden. Die Brasilianer haben es vorgemacht: man zerlege ein Markenprodukt, klaue die patentgeschützte Formel, braue eine Kopie unter neuem Namen zusammen und bringe sie kostenlos unters Volk. In Brasilien soll die Sterberate bei Aids dadurch um fünfzig Prozent gesunken sein – ein Resultat, das sich nur schwer überprüfen lässt. Die Pharmaindustrie nennt diese Form der Selbsthilfe Piraterie und beruft sich auf ein Schutzabkommen der Welthandelsorganisation WTO, das internationales Patentrecht und globalen Freihandel verknüpft. Südafrika ignorierte alle Abmahnungen - schließlich geht es nicht um Computer-Software oder Musiktitel, sondern um Menschenleben.
Südafrika landete prompt auf der watchlist 301 für ökonomische Missetäter; Washington soll sogar überlegt haben, dreißig Millionen Dollar Entwicklungshilfe zu stornieren.
Vor dem Gerichtsgebäude in Pretoria zirkulieren Flugblätter. Sie klagen den entfesselten Kapitalismus an, das Freihandelsdiktat der Reichen, die Menschenverachtung der Multis. „ Was kümmert uns euer geistiges Eigentum? Unsere Leute verrecken!“ , ruft ein Aktivist. Die Advokaten ahnen, dass dieser Prozess zu einem Waterloo werden und das Ansehen der Pharmaindustrie schwer schädigen könnte – und ziehen die Klage zurück. Man bekräftigt im gegenseitigen Einvernehmen die Ausnahmeregelung der WTO, die im Falle eines nationalen medizinischen Notstandes angewandt werden kann. In Südafrika herrscht dieser Notstand. Der Weg zum Import oder zur Eigenproduktion billigerer Medikamente ist frei.

Die Gesundheitskrieger können bestenfalls die Auswirkungen der Pandemie abschwächen, vor ihren Ursachen aber müssen sie kapitulieren. Wenn sie merken, dass Aids nicht nur ein medizinisches, sonder ein ökonomisches, soziales und kulturelles Problem ist, dann sind sie in Afrika angekommen. Dann wissen sie: Es gibt keine einfache und schnelle Lösung mit der chemischen Keule. Und spätestens dann erscheinen ihnen die Thesen von Präsident Thabo Mbeki in einem milderen Licht: Der wahre Feind ist die Massenarmut. Sie ist zwar nicht die Ursache der Seuche, aber sie bereitet den Mutterboden, auf dem sie sich entfaltet.
Quelle: ACH, AFRIKA; Bartholomäus Grill

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